Im Juli 2006ย wollten zwei Mรคnner Bombenattentate verรผben.
Die selbst gebauten Sprengsรคtze wurden in zwei Koffern in Regionalzรผgen nach Hamm und Koblenz deponiert, explodierten aber aus technischen Grรผnden nicht.
Eine Chronologie der Ereignisse.
31.07.06: Im Kรถlner Hauptbahnhof platzieren zwei Mรคnner in Koffern versteckte Sprengsรคtze in Regionalzรผgen nach Hamm und Koblenz.
Wegen handwerklicher Fehler explodieren die Zeitzรผnder-Bomben zur eingestellten Uhrzeit um 14.30ย Uhr nicht.
Die erste Bombe wird im Fundbรผro des Dortmunder Bahnhofs entdeckt.
Ein Zugbegleiter hatte den herrenlosen Koffer in einem Abteil des Regionalexpress 1ย gefunden und abgegeben.
01.08.06: In Koblenz wird die zweite Kofferbombe entdeckt.
Erste heiรe Spur ist eine aus dem Libanon stammende Plastiktรผte.
In dem in Dortmund gefundenen Gepรคckstรผck befanden sich 11ย Liter Butangas in einer Gasflasche, 4,5ย Liter Benzin-Gemisch, ein Wecker und Drรคhte – eine professionelle Bombe.
Die Bundesanwaltschaft รผbernimmt die Ermittlungen.
Wegen des zeitlichen Zusammenhangs der beiden Sprengstofffunde ermittelt die Behรถrde gegen Unbekannt wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.
05.08.06: Kriminaltechniker stellen fest, dass die mit Gas und Benzin gefรผllten Bomben bei einer Explosion eine Splitterwirkung bis zu hundert Meter gehabt und einen groรen Feuerball ausgelรถst hรคtten.
Spur nach Kรถln
02.08.06: Die Bundesanwaltschaft setzt die Kofferfunde in Dortmund und Koblenz in direkten Zusammenhang.
Der Inhalt der beiden Koffer als auch die Behรคltnisse selbst seien vergleichbar, so ein Behรถrdensprecher.
18.08.06: Das Bundeskriminalamt (BKA) geht davon aus, das mit den beiden Kofferbomben ein terroristischer Anschlag geplant war.
Die Sprengsรคtze hรคtten etwa zehn Minuten vor dem Eintreffen der beiden Zรผge explodieren sollen.
Zur Fahndung nach den Tรคtern verรถffentlicht das BKA Video-Aufnahmen einer รberwachungskamera am Kรถlner Hauptbahnhof.
19.08.06: Einer der mutmaรlichen Bombenleger wird im Kieler Hauptbahnhof festgenommen.
Der 21-jรคhrige wollte sich absetzen. In den beiden Bombenkoffern wurden seine DNA-Spuren sowie ein Fingerabdruck von ihm gefunden.
22.08.06: Die Spur des zweiten Verdรคchtigen fรผhrt nach Kรถln.
Offenbar hat der Mann im Stadtteil Ehrenfeld gelebt. Der Verdรคchtige hat sich aber bereits ins Ausland abgesetzt.
Fahndung lรคuft
23.08.06: Wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und des vielfach versuchten Mordes wird gegen den zweiten mutmaรlichen Bahn-Attentรคter Haftbefehl erlassen. Die Bundesregierung kรผndigt derweil an, mehr Geld fรผr den Kampf gegen den Terror zur Verfรผgung stellen zu wollen.
24.08.06: Der zweite Bomben-Attentรคter wird im Libanon festgenommen. Die Bundesanwaltschaft erklรคrt, der Mann habe sich in der Hafenstadt Tripoli selbst gestellt.
25.08.06: Der zweite mutmaรliche Tรคter wird in Beirut verhรถrt. Zwei weitere Verdรคchtige werden festgenommen, einer in Konstanz, einer im Libanon. Der Verdacht gegen beide bestรคtigt sich spรคter nicht.
26.08.06: Die Fahndung nach weiteren Hintermรคnnern im Fall der versuchten Kofferbombenanschlรคge auf Regionalzรผge lรคuft auf Hochtouren.
Nach wie vor geht das Bundeskriminalamt von einer terroristischen Zelle in Deutschland aus.
Attentate waren zur Fuรball-WM geplant
28.08.06: Vier Wochen nach den Bahn-Attentaten wird im Libanon ein fรผnfter Verdรคchtiger festgenommen. Auch der Verdacht gegen ihn lรคsst sich nicht erhรคrten. Er wird freigelassen als kein dringender Tatverdacht mehr besteht.
29.08.06: Die Anti-Terror-Datei wird neu diskutiert: Die Datenbank soll verdรคchtige Personen und terroristische Verbindungen verzeichnen sowie alle Einrichtungen mit mรถglichen Verbindungen ins islamistische Milieu. Zugang sollen neben der Polizei auch BND, Verfassungsschutz und Zoll bekommen.
01.09.06: Die Anschlรคge auf Regionalzรผge sollten nach Medienberichten ursprรผnglich wรคhrend der Fuรball-Weltmeisterschaft verรผbt werden.
06.04.07: Die mutmaรlichen Kofferbomber von Kรถln wollten sich fรผr Kampfeinsรคtze im Irak empfehlen. Das behauptet nach Medienberichten einer der beiden Verdรคchtigen.
11.04.07: Im Libanon beginnt der Prozess gegen einen der mutmaรlichen Tรคter.
11.06.07: Die Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen einen der beiden mutmaรlichen Kofferbomber beim Oberlandesgericht Dรผsseldorf.
15.09.07: Das Hauptverfahren wird erรถffnet.
18.12.07: Der Prozess beginnt in Dรผsseldorf. Am selben Tag wird der in Dรผsseldorf Angeklagte von einem libanesischen Gericht in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Sein Komplize wird vom selben Gericht zu zwรถlf Jahren Haft verurteilt.
07.02.08: Der Angeklagte Youssef El-H. bricht vor Gericht in Dรผsseldorf sein Schweigen und bestreitet Tรถtungsabsichten.
Er habe ohne Wissen seines Komplizen absichtlich defekte Sprengsรคtze gebaut. Zugleich beschuldigt er ihn, der Drahtzieher der Anschlagsplรคne gewesen zu sein.
15.04.08: Die Kofferbomben hรคtten ohne Konstruktionsfehler bis zu 15ย Meter groรe Feuerbรคlle verursacht.
Das haben Versuche der Bundesanstalt fรผr Materialforschung ergeben.
Ein Experte stellte die Ergebnisse der Tests im Dรผsseldorfer Prozess vor.
Angeklagter voll schuldfรคhig
03.06.08: Aufgrund der heiklen Sicherheitslage sagt der Staatsschutzsenat des Dรผsseldorfer Oberlandesgericht (OLG) eine fรผr Juni geplante Reise nach Beirut ab. Der dort inhaftierte zweite mutmaรliche Kofferbomber wird daraufhin ohne deutsche Richter und Anwรคlte vernommen.
01.07.08: Der Bochumer Psychiater Norbert Leygraf und der Essener Psychologe Norbert Schalast halten den in Dรผsseldorf angeklagten Youssef El-H. fรผr voll schuldfรคhig. Nach Ansicht der Sachverstรคndigen liegt bei ihm keine Bewusstseinsstรถrung und auch keine seelische Abartigkeit vor. In ihrem Gutachten kommen die Mediziner zu dem Schluss, dass eine Lebenskrise des Angeklagten zur Tat gefรผhrt habe.
23.10.08: Nach gut zehn Monaten Verfahrensdauer erklรคrt der Staatsschutzsenat des Dรผsseldorfer Oberlandesgerichts, dass das Urteil gegen Youssef El-H. am 18.ย November 2008ย verkรผndet werden soll.
29.10.08: Mit รผber dreistรผndiger Verspรคtung beginnt vor dem Dรผsseldorfer Oberlandesgericht das Plรคdoyer der Bundesanwaltschaft. Grund fรผr die Verspรคtung ist ein รผberraschender Antrag der Verteidigung, wieder in die Beweisaufnahme einzutreten. Sie will den mutmaรlichen Komplizen des Angeklagten im Libanon zu den Tatvorwรผrfen befragen. Der Strafsenat gibt dem Antrag nicht statt.
13.11.08: In ihren Plรคdoyers fordert die Verteidigung den Freispruch ihres Mandanten. Die Sprengsรคtze seien bewusst so konstruiert gewesen, damit sie nicht explodieren. Der Angeklagte habe nur aus Protest gegen Mohammed-Karikaturen in Zeitungen ein Zeichen setzen wollen. Es habe keine Menschen tรถten wollen.
02.12.08: Der Angeklagte beteuert in seinem Schlusswort vor dem Dรผsseldorfer Oberlandesgericht erneut seine Unschuld. “Ich schwรถre bei Gott dem Allmรคchtigen, dass es nie meine Absicht gewesen ist, jemanden zu tรถten”, so Youssef El-H. “Fรผr uns war das einfach eine Mahnung und eine Warnung an die รffentlichkeit. Wenn ich Menschen hรคtte tรถten wollen, hรคtte ich alle Spuren gelรถscht und mit Handschuhen gearbeitet”, erklรคrt der Libanese.
09.12.08: Der so genannte Kofferbomber von Kรถln wird zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Dรผsseldorfer Oberlandesgericht spricht den 24-jรคhrigen Libanesen Youssef El-H. wegen vielfachen versuchten Mordes schuldig.
Die Bomben
Die Bomben bestanden unter anderem aus einem Zeitzรผnder, einer Gasflasche und einem Behรคltnis mit Benzin, die in einem Rollkoffer verborgen waren. Ein echter Explosivstoff war, auรer der kleinen Menge Initialsprengstoff im Zรผnder, nicht enthalten, ebenso fehlte eine Sauerstoffquelle, welche mit dem Benzin und/oder Gas ein explosionsfรคhiges Gemisch ergeben kรถnnte (der Sauerstoffpartialdruck der normalen Raumluft ist nicht hoch genug, um eine solche Konstruktion zum Explodieren zu bringen). Die Bomben waren von den Tรคtern im Kรถlner Hauptbahnhof in zwei Regionalbahnen mitgenommen worden. Die Tรคter fuhren jeweils eine Station in den Zรผgen mit, stiegen in Troisdorf bzw. Kรถln-Deutz wieder aus und lieรen die Koffer mit den Bomben in den Zรผgen stehen, so als hรคtten sie aus Versehen ihr Gepรคck vergessen. Die Zeitzรผnder waren so eingestellt, dass sie um 14:30 Uhr auslรถsen sollten. Die Zรผndung erfolgte, jedoch explodierten die Bomben mangels Explosivstoff oder Sauerstoffquelle nicht.
Nachbau einer der am 31. Juli 2006 in den Regionalzรผgen der Deutschen Bahn von Aachen nach Hamm und Mรถnchengladbach nach Koblenz gefundenen Kofferbombe, Wanderausstellung des Bundesamt fรผr Verfassungsschutz.
Der erste Koffer befand sich im Regionalexpress 1 von Aachen Hauptbahnhof nach Hamm (Westfalen). Er wurde noch am gleichen Tag von einem Zugbegleiter bei einer Vierersitzgruppe in einem Doppelstockwaggon gegen 14:40 Uhr entdeckt und gegen 15:55 Uhr in der Fundstelle des Dortmunder Hauptbahnhofes abgegeben. Bei รffnung des Koffers wurde die Bombe erkannt und die Bundespolizei verstรคndigt. Sie wurde gegen 19:35 Uhr von USBV-Entschรคrfern mit einer Wasserkanone beschossen und untauglich gemacht. Sie enthielt elf Liter Butangas in einer Gasflasche, 4,5 Liter Benzingemisch, einen Wecker und Drรคhte.
Der zweite Koffer mit einer รคhnlichen Vorrichtung wurde am gleichen Tag im Hauptbahnhof Koblenz sichergestellt.
Er war im Kรถlner Hauptbahnhof in einer Regionalbahn nach Koblenz deponiert worden.
Die Bombe wurde erst entdeckt, als der Koffer am nรคchsten Tag geรถffnet wurde.
Nach Angaben des Focus hat eine Untersuchung der Bundesanstalt fรผr Materialforschung und -prรผfung ergeben, dass die Kofferbomben einen Feuerball mit 15 Meter Durchmesser und umherfliegende Metallsplitter im Umkreis von hundert Metern hรคtten bewirken kรถnnen.
Die Zerstรถrungskraft der Bomben wรคre mit der Wirkung der Sprengsรคtze bei den Terroranschlรคgen am 7. Juli 2005 in London vergleichbar. Beide Zรผge wรคren vermutlich bei der Explosion entgleist.
Laut libanesischer Anklageschrift gegen Dschihad Hamad[4] soll sich zudem in einem der Koffer Speisestรคrke befunden haben, die sich nach einer Explosion in Form von Feinstaub auf die Atemwege der Opfer lege und dadurch zu weiteren Opfern durch Ersticken fรผhren sollte.

