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Kreis Gรผtersloh hรคlt zahlreiche osteuropรคische Tรถnnies-Beschรคftigte zu Unrecht in Quarantรคne
Im Kreis Gรผtersloh werden zahlreiche Tรถnnies-Beschรคftigte zu Unrecht in Quarantรคne gehalten. Darรผber berichtet das ARD-Magazin MONITOR in seiner heutigen Ausgabe (Donnerstag, 30.07.2020). Der Redaktion liegen zahlreiche wortgleiche Quarantรคne-Anordnungen an Beschรคftigte des Fleischunternehmens vor, bei denen es sich offenbar um Musterschreiben des Kreisgesundheitsamts handelt.
In den Schreiben ist etwa von positiven Corona-Tests und Krankheitssymptomen die Rede, die sich nach MONITOR-Recherchen in vielen Fรคllen als falsch herausgestellt haben. Bei Stichproben rรคumte das zustรคndige Gesundheitsamt die falschen Positiv-Bescheide in allen nachgefragten Fรคllen ein. In anderen Briefen wurde Beschรคftigten mitgeteilt, dass sie aufgrund von Kontakten zu Infizierten in Quarantรคne bleiben mรผssten, obwohl es sich bei den Adressaten um genesene Infizierte handelte, die als nicht mehr ansteckend gelten und bereits aus der Quarantรคne entlassen worden waren.
Insgesamt wurden am 17. Juli allein in den Stรคdten Rietberg und Rheda-Wiedenbrรผck rund 800 Briefe mit neuen Quarantรคne-Anordnungen verschickt, รผberwiegend an osteuropรคische Tรถnnies-Beschรคftigte. Die groรe Eile, mit der die Musterbriefe zum Teil kurz vor Mitternacht im Kreis Gรผtersloh zugestellt wurden, erklรคrt sich mit dem Ende der vom Land NRW angeordneten allgemeinen Quarantรคne fรผr alle Tรถnnies-Beschรคftigten am 17.Juli. Offenbar lag dem Kreis Gรผtersloh daran, mรถglichst viele Beschรคftigte weiterhin in Quarantรคne zu halten. Bei den Beschรคftigten, die auf ein Ende der vierwรถchigen Quarantรคne gehofft hatten, sorgten die Schreiben fรผr groรe Empรถrung und Verunsicherung, zumal die Schreiben ausschlieรlich auf Deutsch formuliert waren. Dazu trugen auch die falschen Positiv-Bescheide bei. Es fรผhle sich an “wie ein sich wiederholender Albtraum”, “es ist wie ins Gefรคngnis gesteckt zu werden – aber ohne Urteil”, erzรคhlten Betroffene dem ARD-Magazin.
Auf MONITOR-Anfrage berichten die Stรคdte Rheda-Wiedenbrรผck und Rietberg von Adresslisten, Quarantรคnezeiten und Musterschreiben, die sie vom Kreis erhalten hรคtten. Dabei seien Personen “irrtรผmlich in den vom Kreis Gรผtersloh รผbermittelten Listen” erfasst worden. Eine gesonderte รberprรผfung aller einzelnen Fรคlle sei in den Kommunen nicht mehr erfolgt. Der Kreis Gรผtersloh spricht dagegen von Missverstรคndnissen und zu รผberprรผfenden Einzelfรคllen und sieht die Schuld bei den Kommunen. So hรคtte die Stadt Rietberg “falsche Vordrucke” verwendet. Die Stadt wiederum weist diesen Vorwurf gegenรผber MONITOR zurรผck.
Volker Brรผggenjรผrgen, Vorstand des Caritasverbandes fรผr den Kreis Gรผtersloh, sieht in den verschickten Musterschreiben einen Verstoร gegen die erforderliche Einzelfallprรผfung. Wenn die ohnehin schon lange Quarantรคne von vier Wochen nochmal verlรคngert werde, “dann haben die Menschen ein Anrecht darauf, dass das verwaltungstechnisch sorgfรคltig durchgeprรผft ist, ob das ein rechtlich einwandfreier Grund ist, die Menschen lรคnger in ihren Wohnungen einzusperren.”
Professor Sebastian Kluckert, Rechtswissenschaftler der Universitรคt Wuppertal, hรคlt das Verhalten unter Umstรคnden auch fรผr strafrechtlich relevant: “Wenn so etwas vorsรคtzlich geschieht, also zumindest billigend in Kauf genommen wird, dass Betroffenen die Freiheit entzogen wird, obwohl die Voraussetzungen des Infektionsschutzgesetzes gar nicht vorlagen, liegt eine Freiheitsberaubung im Sinne des Strafgesetzbuches vor.”
