Gericht zu Haftung des Betreibers einer Waschanlage
Der unter anderem fรผr das Werkvertragsrecht zustรคndige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
รผber die Haftung des Betreibers einer Autowaschanlage fรผr einen Fahrzeugschaden entschieden.
Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf
Der Klรคger verlangt Schadensersatz wegen der Beschรคdigung seines Fahrzeugs in einer von der Beklagten betriebenen Autowaschanlage, einer sogenannten Portalwaschanlage.
In der Waschanlage befindet sich ein Hinweisschild, das auszugsweise wie
folgt lautet:
“Allgemeine Geschรคftsbedingungen Autowaschanlagen/Portalwaschanlagen
Die Reinigung der Fahrzeuge in der Waschanlage erfolgt unter Zugrundelegung der nachfolgenden Bedingungen: (…).
Die Haftung des Anlagenbetreibers entfรคllt insbesondere dann, wenn ein Schaden durch nicht ordnungsgemรคร befestigte Fahrzeugteile oder durch nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehรถrende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler, Antenne, Zierleisten o.รค.) sowie dadurch verursachte Lackkratzer verursacht worden ist, auรer den Waschanlagenbetreiber oder sein Personal trifft grobe Fahrlรคssigkeit oder Vorsatz.”
Unter diesem Hinweisschild befindet sich ein Zettel mit der Aufschrift:
“Achtung Keine Haftung fรผr Anbauteile und Heckspoiler!”.
Der Klรคger fuhr Ende Juli 2021 mit seinem Pkw der Marke Land Rover in die Waschanlage ein,
stellte das Fahrzeug ordnungsgemรคร ab, verlieร die Waschhalle und startete den Waschvorgang.
Wรคhrend des Waschvorgangs wurde der zur serienmรครigen Fahrzeugausstattung gehรถrende, an der hinteren Dachkante angebrachte Heckspoiler abgerissen, wodurch das Fahrzeug beschรคdigt wurde. Deswegen verlangt der Klรคger von der Beklagten Schadensersatz in Hรถhe von insgesamt 3.219,31 โฌ,
eine Nutzungsausfallentschรคdigung (119 โฌ) fรผr den Tag der Fahrzeugreparatur sowie die Freistellung
von Rechtsanwaltskosten.
Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemรคร verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Die Revision des Klรคgers war erfolgreich. Sie fรผhrte zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Dem Klรคger steht wegen der Beschรคdigung seines Fahrzeugs gegen die Beklagte ein vertraglicher Schadensersatzanspruch in der geltend gemachten Hรถhe zu. Der Vertrag รผber die Reinigung eines Fahrzeugs umfasst als Nebenpflicht die Schutzpflicht des Waschanlagenbetreibers, das Fahrzeug des Kunden vor Beschรคdigungen beim Waschvorgang zu bewahren.
Geschuldet sind diejenigen Maรnahmen, die ein umsichtiger und verstรคndiger, in vernรผnftigen Grenzen vorsichtiger Anlagenbetreiber fรผr notwendig und ausreichend halten darf, um andere vor Schรคden zu bewahren. Hierbei trรคgt grundsรคtzlich der Glรคubiger die Beweislast dafรผr, dass der Schuldner eine ihm obliegende Pflicht verletzt und diese Pflichtverletzung den Schaden verursacht hat.
Abweichend davon hat sich allerdings der Schรคdiger nicht nur hinsichtlich seines Verschuldens zu entlasten, sondern muss er auch darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft, wenn die fรผr den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein in seinem Obhuts- und Gefahrenbereich liegen.
Ein solcher Fall ist hier gegeben.
Die Ursache fรผr die Beschรคdigung des klรคgerischen Fahrzeugs liegt allein im Obhuts- und Gefahrenbereich der Beklagten. Nach den auรer Streit stehenden Feststellungen des Berufungsgerichts kam es zu der Beschรคdigung, weil die Waschanlage konstruktionsbedingt nicht fรผr das serienmรครig mit einem Heckspoiler ausgestattete Fahrzeug des Klรคgers geeignet war. Das Risiko, dass eine Autowaschanlage fรผr ein marktgรคngiges Fahrzeug wie dasjenige des Klรคgers mit einer serienmรครigen Ausstattung wie dem betroffenen Heckspoiler konstruktionsbedingt nicht geeignet ist, fรคllt in den Obhuts- und Gefahrenbereich des Anlagenbetreibers.
Daneben kommt keine aus dem Obhuts- und Gefahrenbereich des Klรคgers stammende Ursache fรผr den Schaden in Betracht.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war das Fahrzeug des Klรคgers vor dem Einfahren in die Waschanlage unbeschรคdigt und der serienmรครige Heckspoiler ordnungsgemรคร angebracht sowie fest mit dem Fahrzeug verbunden.
Der Klรคger, dem mit seinem marktgรคngigen, serienmรครig ausgestatteten und in ordnungsgemรครem Zustand befindlichen Fahrzeug von der Beklagten als Betreiberin die Nutzung der Waschanlage erรถffnet wurde, konnte berechtigt darauf vertrauen, dass sein Fahrzeug so, wie es ist, also mitsamt den serienmรครig auรen angebrachten Teilen, unbeschรคdigt aus dem Waschvorgang hervorgehen werde. Dieses Vertrauen war insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Risikobeherrschung gerechtfertigt,
weil nur der Anlagenbetreiber Schadensprรคvention betreiben kann, wohingegen der Kunde regelmรครig sein Fahrzeug der Obhut des Betreibers รผberantwortet, ohne die weiteren Vorgรคnge selbst beeinflussen zu kรถnnen. Anders als der Betreiber, der es in der Hand hat, bestimmte Fahrzeugmodelle, die er fรผr schadensanfรคllig hรคlt, von der Benutzung seiner Anlage auszuschlieรen und dadurch das Risiko einer Beschรคdigung zu verringern, ist es dem Kunden regelmรครig nicht mรถglich, solche Waschanlagen von vornherein zu identifizieren und zu meiden, die konstruktionsbedingt nicht geeignet sind, sein Fahrzeug ohne ein erhรถhtes Schadensrisiko zu reinigen.
Die hiernach gegen sie streitende Vermutung der Pflichtverletzung hat die Beklagte nicht widerlegt und den ihr obliegenden Nachweis fehlenden Verschuldens nicht gefรผhrt.
Ihr Vortrag, die Gefahr der Schรคdigung des serienmรครig angebrachten Heckspoilers sei ihr nicht bekannt gewesen, weil sich ein solcher Vorfall bislang in der Waschanlage nicht ereignet habe, sie habe diese Gefahr auch nicht kennen mรผssen und hierfรผr keine konkreten Anhaltspunkte gehabt, eine hypothetische Erkundigung hรคtte zudem an dem konkreten Schadensereignis nichts geรคndert, genรผgt zu ihrer Entlastung nicht. Es fehlt schon an der Darlegung, ob die Beklagte – die sich ausweislich der in der Waschanlage angebrachten Schilder der Gefahr einer Beschรคdigung insbesondere von Heckspoilern grundsรคtzlich bewusst war – sich darรผber informiert hat, fรผr welche Fahrzeuge ihre Anlage konstruktionsbedingt ungeeignet ist und daher ein erhรถhtes Schadensrisiko besteht. Ebenso wenig ist dargetan, dass sie keine Informationen bekommen hรคtte, auf deren Grundlage die Beschรคdigung des klรคgerischen Fahrzeugs vermieden worden wรคre.
Die Beklagte hat sich ferner nicht durch einen ausreichenden Hinweis auf die mit dem Waschvorgang verbundenen Gefahren entlastet.
Das in der Waschanlage angebrachte, mit “Allgemeine Geschรคftsbedingungen Autowaschanlagen/Portalwaschanlagen” รผberschriebene Schild reicht als Hinweis schon deshalb nicht aus, weil es ausdrรผcklich nur “nicht ordnungsgemรคร befestigte Fahrzeugteile oder (…) nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehรถrende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler…)” erwรคhnt.
Nicht nur fรคllt der Heckspoiler des klรคgerischen Fahrzeugs nicht hierunter, weil er zur Serienausstattung gehรถrt und ordnungsgemรคร befestigt war, sondern die ausdrรผckliche Beschrรคnkung auf nicht serienmรครige Fahrzeugteile ist sogar geeignet, bei dem Nutzer das Vertrauen zu begrรผnden, mit einem serienmรครig ausgestatteten Pkw die Anlage gefahrlos benutzen zu kรถnnen.
Ebenso wenig stellt der darunter befindliche Zettel mit der Aufschrift
“Keine Haftung fรผr Anbauteile und Heckspoiler!” einen ausreichenden Hinweis dar.
Angesichts des darรผber befindlichen Schildes mit der ausdrรผcklichen Beschrรคnkung auf nicht zur Serienausstattung gehรถrende Teile wird fรผr den Waschanlagennutzer schon nicht hinreichend klar,
dass – gegebenenfalls – von diesem Hinweis auch die Nutzung der Waschanlage durch Fahrzeuge mit serienmรครigem Heckspoiler erfasst sein soll.
