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Koblenzer Urteil über syrische Staatsfolter bestätigt

Koblenz - Mord - sexuelle Nötigung

Koblenzer Urteil über syrische Staatsfolter bestätigt

Beschluss vom 20. März 2024 – 3 StR 454/22

Der Bundesgerichtshof hat die Revision eines ehemaligen leitenden Offiziers des syrischen Geheimdiensts gegen seine Verurteilung durch das Oberlandesgericht Koblenz verworfen.

Dieses hatte den im Jahr 2014 nach Deutschland eingereisten Mann aufgrund dessen Beteiligung an schweren Gewalt- und Sexualhandlungen in einem von ihm geleiteten Gefängnis in Damaskus des Verbrechens gegen die Menschlichkeit in Form von Tötung, Folter, schwerwiegender Freiheitsberaubung, Vergewaltigung und sexueller Nötigung in Tateinheit mit Mord und weiteren Delikten schuldig gesprochen. Es hatte deswegen gegen ihn eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt.

1. Nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen versuchten die syrischen Sicherheitsbehörden spätestens seit Ende April 2011 aufgrund zentraler Anordnung der Regierung, die im Rahmen des sog. Arabischen Frühlings gegen das Regime des Staatspräsidenten Bashar al-Assad entstandene Protestbewegung gewaltsam im Keim zu ersticken.

Landesweit wurden Demonstrationen, auch durch den Einsatz von Schusswaffen, aufgelöst.

Sicherheitskräfte verhafteten tatsächliche oder vermeintliche Oppositionelle und Regimekritiker zu Tausenden und folterten sie regelmäßig oder töteten sie sogar. Ziel war es, einerseits Informationen über weitere Gegner zu gewinnen, andererseits die Bevölkerung einzuschüchtern und hierdurch künftige Protestaktionen zu verhindern.

Bei dem Vorgehen kam den Geheimdiensten eine entscheidende Rolle zu.

In der Abteilung 251 des Allgemeinen Geheimdienstes und einem ihr unterstellten Gefängnis in einem Damaszener Stadtteil wurden brutale Foltermethoden angewandt. Nach Ausbruch des Konflikts gab es nahezu keine Vernehmung, bei der nicht gefoltert wurde. Die Zufügung großer Schmerzen und Leiden durch Vernehmende oder bei den Verhören anwesende Gefängniswärter war strukturell in den Abläufen dieser Abteilung vorgesehen.

Die Haftbedingungen in deren völlig überbelegtem Gefängnis waren desolat. Unzureichende Ernährung und Schlafentzug, der auch durch die lauten Schreie gequälter Menschen verursacht wurde, führten zu rascher Gewichtsabnahme und genereller Verschlechterung des Allgemeinzustands. Im Tatzeitraum von Ende April 2011 bis Anfang September 2012 waren in dem Gefängnis jedenfalls 4.000 Personen mindestens mehrere Tage inhaftiert. Von den Gefangenen verstarben infolge von Folter und der Haftbedingungen zumindest 27 Menschen, darunter ein Kind.

Der Angeklagte hatte im Rang eines Obersts die Positionen des stellvertretenden Leiters der Abteilung 251 und des Leiters der Unterabteilung Vernehmung inne. Zu seinen Aufgaben gehörten unter anderem die Ermittlungsarbeit und die möglichst effiziente Informationsbeschaffung. Seine Zuständigkeit erstreckte sich auf die Führung des Gefängnisses, die Behandlung der Gefangenen und die Durchführung der Vernehmungen. Er trug maßgeblich dazu bei, die Folterpraxis aufrechtzuerhalten. Er war faktisch imstande, über das weitere Schicksal der meisten Gefangenen verantwortlich zu entscheiden.

Folter und Gewaltanwendung bis hin zu sexuellen Übergriffen waren vom Angeklagten als Maßnahmen zur Aussageerpressung und Einschüchterung gewollt.

Todesfälle nahm er als zwangsläufige Folge der Misshandlungen und der Haftbedingungen in Kauf. Er identifizierte sich mit dem syrischen Staat, kannte das konzertierte Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen tatsächliche wie mutmaßliche Regimegegner und betrachtete seine eigene Tätigkeit als dessen Bestandteil. Der Erhalt des Regimes war ihm auch aus persönlichen Gründen wichtig, weil sein Status, sein Einkommen und seine gesellschaftlichen Privilegien daran geknüpft waren.

2. Das Oberlandesgericht hat diese Feststellungen dahin beurteilt, dass das Vorgehen des syrischen Regimes ab Ende April 2011 sowohl die Voraussetzungen eines ausgedehnten als auch die eines systematischen Angriffs gegen die eigene Zivilbevölkerung nach § 7 Abs. 1 VStGB – der Strafvorschrift über Verbrechen gegen die Menschlichkeit – erfülle. Im Rahmen dieses Angriffs seien zahlreiche im Gefängnis der Abteilung 251 Internierte im Sinne der Einzeltatbestände Nummern 1, 5, 6 und 9 dieser Norm getötet, gefoltert, sexuell genötigt und vergewaltigt sowie in schwerwiegender Weise der körperlichen Freiheit beraubt worden. Daran habe sich der Angeklagte als Mittäter beteiligt.

3. Der Angeklagte hat gegen seine Verurteilung Revision eingelegt. Er hat die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts erhoben und das Verfahren beanstandet.

4. Die durch die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils durch den beim Bundesgerichtshof für Staatsschutzsachen zuständigen 3. Strafsenat hat zu geringen Änderungen des Schuldspruchs im Hinblick auf die vom Oberlandesgericht mitausgeurteilten Sexualdelikte des Strafgesetzbuchs geführt. Auf den Strafausspruch hat sich dies allerdings nicht ausgewirkt. Im Übrigen hat die Urteilsurkunde keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen lassen. Das Oberlandesgericht hat zutreffend angenommen, dass dem Angeklagten nicht deshalb eine völkergewohnheitsrechtliche funktionelle Immunität zukommt, weil er seine Tatbeiträge als hoheitlich handelnder Staatsbediensteter erbrachte. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang seine Rechtsprechung zu Grenzen der allgemeinen Funktionsträgerimmunität bestätigt und präzisiert.

Die Verfahrensrügen sind erfolglos geblieben.

Zu einer dieser Beanstandungen hat der 3. Strafsenat entschieden, dass es dem Oberlandesgericht
nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StPO gestattet war, Berichte der unabhängigen Untersuchungskommission des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen als Zeugnisse
einer öffentlichen Behörde zu verlesen und infolgedessen als Urkundenbeweis zu verwerten.

Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist die Verurteilung des Angeklagten rechtskräftig.

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