Manipulationsverdacht im Ofarim-Prozess: Enthüllungen um Überwachungsvideos
Leipzig –
Im Verleumdungsprozess gegen Gil Ofarim (41) haben dessen Anwälte am Mittwoch einen Manipulationsverdacht geäußert. Es geht um Überwachungsvideos und zwei Sekunden, die offenbar fehlen. Zugleich widersprach ein Gutachter dem Angeklagten.
Ofarim hatte in einem Instagram-Video behauptet, ein Mitarbeiter des Leipziger „The Westin”-Hotels habe ihn aufgefordert, den Davidstern an seiner Kette „einzupacken”. War der Antisemitismus-Vorwurf erfunden? Das muss nun das Landgericht Leipzig klären. Dabei geht es auch um die zentrale Frage, ob Ofarim die besagte Kette im Hotel überhaupt sichtbar getragen hat.
Im Gericht wurden an diesem Verhandlungstag die Überwachungsvideos des Hotels vom fraglichen Abend des 4. Oktober 2021 vorgespielt.
Sie zeigen, wie Ofarim in einem Wagen vorfährt. Nach dem Aussteigen unterhält er sich mit der Fahrerin, gibt ihr zum Abschied einen Kuss auf die Wange, beide umarmen sich – es ist 19.21 Uhr. „Ich kann mich an keine silberne Kette erinnern”, sagt die Fahrerin.
Ofarim wirkte bereits in der Lobby genervt
Danach betritt Ofarim das Hotel, stellt sich erst an der Schlange an, geht dann Richtung Hotel-Bar und taucht um 19.26 Uhr wieder in der Schlange auf. Seine Körperhaltung wirkt, als sei Ofarim genervt gewesen.
Um 19.39 Uhr dann der Moment, der den Skandal ins Rollen bringt: Zwei Stammgäste erhalten schon ihre Zimmerkarten. Einer von ihnen ist Dr. Timo S. (47), Geschäftsführer einer Chemie-Firma. Er sagt: „Ofarim sprach uns mit den Worten an: ,Was ist denn an euch beiden so besonders, dass ihr schon eure Karten bekommt?'”
Die Diskussion dauert rund zehn Sekunden, die Stammgäste gehen zu den Fahrstühlen. Am Schalter regt sich Ofarim über die vermeintliche Vorzugsbehandlung auf, gestikuliert, streitet sich mit Manager Markus W. (35), dem er kurz danach Antisemitismus vorwerfen wird.
Um 19.45 Uhr verlässt Ofarim das Hotel, setzt sich im Einfahrtsbereich auf den Boden, nimmt das Instagram-Video mit den Vorwürfen auf. Um 20.08 Uhr verlässt er den Bereich.
Wurden die Videos manipuliert?
Für die Zuschauer ist es auf den Überwachungsvideos schwierig zu erkennen, ob er den Davidstern trägt. Für einen kurzen Augenblick blitzt etwas auf, als Ofarim nach Verlassen des Hotels draußen sitzt. Sein Anwalt Dr. Alexander Stevens (42) weist im Anschluss darauf hin, dass die Kette gegen 20.04 Uhr für wenige Sekunden gut zu erkennen sei und an anderen Stellen nicht – „obwohl er sie getragen hat, wie das Instagram-Video beweist”.
Zwei Sekunden sorgen für Wirbel
Nach dem Zeigen der Videos macht Verteidiger Philip Müller auf einen möglichen Skandal aufmerksam: In einem Video, das die Hotel-Bar zeigt, fehlen offenbar zwei Sekunden. Zu sehen ist der Bar-Mitarbeiter, der Richtung Lobby geht. Plötzlich springt der Zeitzähler vor und der Mann ist verschwunden.
Ofarims Verteidiger Dr. Tido Hokema zu BILD: „Der Verdacht liegt nahe, dass die Videoaufnahmen manipuliert worden sind. Der Bar-Mitarbeiter taucht danach nicht mehr auf.”
… auf 19.40 Uhr und 31 Sekunden – der Barkeeper ist weg und taucht auf anderen Videos nicht mehr auf
Ein weiterer Ofarim-Verteidiger, Dr. Alexander Stevens, ergänzt: „Wer sagt uns denn, dass nicht auch die anderen Videos manipuliert worden sind?”
Ein Sicherheitstechniker (51), der aussagt, er habe nach Anweisung der Polizei wenige Tage nach dem Vorfall in dem Leipziger Nobelhotel die Originaldaten aus dem System übernommen, betont hingegen: „Eine Manipulation ist nicht denkbar.”
Am Nachmittag dann die mit Spannung erwartete Aussage von Prof. Dirk Labudde (57). Der Professor von der Fachhochschule Mittweida (Sachsen) ist ein international gefragter Digitalforensiker. Als Gutachter sollte er erklären, ob die Davidstern-Kette von Ofarim auf den Überwachungsaufnahmen aus dem Hotel zu sehen war.
Labudde ganz klar: „Nein, ich werde keinen Davidstern hochauflösend erkennen können, das kann ich sagen.” Der Experte hatte die Videos in einzelne Bilder zerschnitten und digital verbessert und dafür sogar künstliche Intelligenz eingesetzt (auch „Super Resolution” genannt). Sein Fazit: „Eine Kette, die der Größe und Form der Davidstern-Kette ähnelt, ist nicht registrierbar.”
Die Kette sei erst sichtbar gewesen, als sich Ofarim danach vor dem Hotel auf den Boden setzte.
Gil Ofarim hatte einem Mitarbeiter des „The Westin”-Hotels im Oktober 2021 Antisemitismus vorgeworfen – laut Anklage zu Unrecht. Der Sänger muss sich daher wegen Verleumdung, falscher Verdächtigung, falscher eidesstattlicher Versicherung und Prozessbetrugs verantworten.