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Neues Konzept des RKI bereits seit Juli
Von Kanzlerin und Vizekanzler in der MPK abgelehnt
Neues Konzept des RKI bereits seit Juli
Inzidenz sollte nicht mehr die alleinige Kennzahl sein
Von Kanzlerin und Vizekanzler in der MPK abgelehnt
Was soll die Politik machen, wenn die vierte Corona-Welle kommt? Unter
anderem über diese Frage hat am vergangenen Dienstag die
Ministerpräsidentenkonferenz beraten. Mittlerweile wissen wir, dass
dabei nicht viel Neues herausgekommen ist. Insbesondere Kanzlerin Angela
Merkel und Vizekanzler Olaf Scholz sollen dafür plädiert haben, sich
zunächst weiter auf die Inzidenz als Kennzahl zu verlassen. Weitere
Faktoren seien „zu kompliziert und wenig hilfreich“. Die Enttäuschung
war entsprechend.
Und dabei liegt offenbar bereits seit Ende Juli ein neues Konzept vor,
wurde aber von der Politik bislang komplett ignoriert. Eine
Arbeitsgruppe des RKI hat ein 6-seitiges Dokument mit dem Titel
„Strategiewechsel“ vorgelegt, welches dann ab Herbst die pandemische
Lage anhand von 3 als „Leitindikatoren“ bezeichneten Kennzahlen
beurteilen soll.
Neben der allgegenwärtigen 7-Tage Inzidenz, die auch weiterhin „als
Seismograf für die Ausbreitungsgeschwindigkeit“ herangezogen werden soll
gibt es in diesem Konzept zwei zusätzliche Faktoren:
Da ist zum einen die Hospitalisierungsinzidenz, die ebenfalls auf einer
7-Tage Basis erhoben werden soll. In dem Konzept wird dieser Wert als
„Schutzwert für die Krankheitslast“ bezeichnet. Wem das zu kryptisch
ist: Der Wert gibt an, wieviele Infizierte ins Krankenhaus aufgenommen
werden mussten, zeigt also an, wie hoch der Anteil der schweren Verläufe
ist. Hintergrund ist, dass mit fortschreitender Impfung insbesondere der
besonders gefährdeten Gruppen die tatsächliche Zahl von schweren
Verläufen abnimmt und viele Infizierte lediglich leichte oder sogar
keine Symptome haben. Die Hospitalisierung wird schon sehr lange von
Fachleuten als zusätzlicher, weil sehr aussagekräftiger Wert gefordert.
Weiterhin soll nach Meinung der Arbeitsgruppe zukünftig auch der
„Belastungswert“ ermittelt werden. Dieser gibt an, welcher Anteil der
Patienten intensiv behandelt oder invasiv beatmet werden muss (und auf
den Intensivstationen behandelt wird) und zeigt somit an, ob dem
Gesundheitssystem möglicherweise eine Überlastung droht. Wir erinnern
uns: Das ist von Anfang an die Hauptsorge und der Grund für alle
Maßnahmen.
Auf Basis dieser drei Werte sollte es dann 3 Warnstufen geben, gelb,
orange und rot und erst wenn 2 der 3 Indikatoren eine dauerhafte (5 Tage
in Folge) Verbesserung oder Verschlechterung anzeigen, soll ein Wechsel
zu einer anderen Stufe erfolgen. Die Stufen der 3 Zahlen werden für die
Inzidenz mit 35-100, 101-200 und über 200 angegeben. Der „Schutzwert“
(also die Hospitalisierungsrate) mit 4-8, 7-12 und über 12 und der
Belastungswert (also der Anteil von Patienten auf den Intensivstationen)
mit unter 6, 6-12 und über 12.
Vielleicht macht ein Beispiel deutlich, was dann im Herbst passieren
kann. Wenn in einer Region die klassische Inzidenz über 200 steigt und
zusätzlich entweder der Schutz- oder der Belastungswert über 12 steigt,
wäre diese Region im Bereich „rot“. Hier würden dann stärkere
Einschränkungen verordnet, unter anderem wird dabei dann eine 2G
Regelung, also ein Ausschluss von ungeimpften Personen für bestimmte
Bereiche vorgeschlagen.
Das ausgerechnet von Seiten des bislang so konservativen und
vorsichtigen RKI ein solcher Vorschlag kam, ist zumindest ein gutes
Zeichen dafür, dass sich die Verantwortlichen konstruktive Gedanken
machen, Umso enttäuschender die Reaktion der Politiker, denn wie
eingangs erwähnt: Für Kanzlerin und Vizekanzler war das zumindest am
letzten Dienstag „zu kompliziert und wenig hilfreich“. Ob es daran
liegt, dass sie selbst Probleme mit (zugegeben) wirklich vielen Zahlen
hatten oder aber der Bevölkerung nicht zutrauen, das zu verstehen,
bleibt leider unbekannt. Sicher ist aber, dass es nun wieder zu
Alleingängen der Landesregierungen bei neuen Strategien zu
Einschränkungen und Erleichterungen kommen wird und genau das dann zu
Gemecker und Getöse im Wahlkampf führt. Denn schließlich ist in gut 6
Wochen Wahl. Mal sehen, welche Warnstufe denn dann gegolten hätte.