Schlag gegen Geldautomatensprenger – VIDEO
Durchsuchungen und Festnahmen in den Niederlanden
Sprengungen von Geldautomaten beschäftigen seit geraumer Zeit Justiz- und Polizeibehörden in ganz Deutschland und darüber hinaus. Auch im Dreiländereck Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und dem Königreich der Niederlande ist das Thema nach wie vor aktuell.
Jetzt gelang einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe aus Staatsanwaltschaft und Zentraler Kriminalinspektion Osnabrück auf deutscher Seite sowie Staatsanwaltschaft und Polizei Utrecht auf niederländischer Seite, nach eineinhalbjähriger Ermittlungsarbeit, ein empfindlicher Schlag gegen die Geldautomatensprenger-Szene. Am Dienstag (28.09.21) fand in diesem Zusammenhang eine groß angelegte Durchsuchungsaktion in den Niederlanden – im Dreieck Amsterdam, Utrecht und Den Haag – statt. Unterstützt wurden die deutschen und niederländischen Ermittler dabei durch die EU-Organisationen Eurojust und Europol aus Den Haag und der niederländischen Polizei. Bei den sieben Durchsuchungen konnten drei Tatverdächtige festgenommen werden. Die drei Männer befinden sich derzeit in Untersuchungshaft in den Niederlanden und sollen nach Deutschland ausgeliefert werden. Insgesamt befinden sich im Zusammenhang mit dem Verfahrenskomplex neun Beschuldigte in Untersuchungshaft. Erstmals gelang es den Ermittlern, auch in die Strukturen der Organisations- und Logistikebene solcher Tätergruppierungen einzudringen.
Über 20 elektronische Kommunikationsgeräte, zahlreiche Datenträger und Speichermedien, Täterbekleidung, Tatwerkzeug und Tatmittel, darunter ein Fahrzeug und Sprengutensilien, konnten u.a. im Rahmen der Durchsuchungen aufgefunden werden. Auch eine Geldzählmaschine, 3.500 Euro Bargeld sowie ein mobiles Blaulicht stellten die Beamten sicher. Die Ermittler erhoffen sich durch die festgestellten Beweismittel unter anderem weitere Hinweise im Hinblick auf die Zuordnung weiterer Taten, strukturelle Verflechtungen der Kriminellen, Auftraggeber und Hintermänner sowie Hinweise auf den Verbleib der Beute.
Michael Maßmann, Präsident der Polizeidirektion Osnabrück, sagte zum Erfolg: “Die grenzüberschreitende Ermittlungsarbeit hat hervorragend geklappt. Das ist ein empfindlicher Schlag gegen die internationale Geldautomatensprenger-Szene und ihre kriminellen Machenschaften. Erstmals sind wir durch unsere Ermittlungen an die Organisatoren und Logistiker herangekommen. Wir sind unserem Ziel, die kriminellen Strukturen aufzuhellen und zu zerschlagen, ein sehr großes Stück nähergekommen. Wir bleiben dran und lassen nicht locker. Ich sage aber auch: Wir müssen den Tätern generell die Anreize zu solchen Taten nehmen. Das kann neben intensiver Präventions- und Ermittlungsarbeit nur gelingen, wenn die Banken ihre Sicherheitsvorkehrungen und Standards optimieren – und zwar flächendeckend. Andere Staaten wie die Niederlande machen es bereits vor.”
Auch Bernard Südbeck, Leitender Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Osnabrück, zeigte sich sehr erfreut über das Ergebnis der bisherigen Ermittlungen. “Die intensiven gemeinsamen Ermittlungen von Staatsanwaltschaften und Polizeien zweier europäischer Nachbarländer unter Beteiligung europäischer Organisation wie Eurojust und Europol zeigen deutlich, wie effektive grenzüberschreitende Ermittlungsarbeit und Strafverfolgung heute aussehen kann. Der Erfolg belegt zugleich, dass wir mit der bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück angesiedelten und für die hiesigen Ermittlungen zuständigen Zentralstelle zur Bekämpfung organisierter Bandenkriminalität ein wertvolles und effizientes Werkzeug im Kampf gegen die Schwerstkriminalität zur Verfügung haben”, so Südbeck.
Gemeinsam ermittelten die Strafverfolgungsbehörden beider Länder über gut eineinhalb Jahre verdeckt gegen verschiedene Täterbanden mit wechselseitigen Beziehungen. Insgesamt konnten 23 Beschuldigte ermittelt werden. Den Tätern werden bundesweit 15 Geldausgabeautomatensprengungen vorgeworfen. Durch die Sprengungen entstand ein hoher Vermögensschaden. Die Sachschäden sind so erheblich, dass sie in die Millionen gehen. Die Sprengungen ereigneten sich allesamt im Jahr 2020 in sechs Bundesländern – vom hohen Norden bis tief in den Südens Deutschlands. Die betroffenen Städte waren Selfkant, Köln, Aachen, Düsseldorf, Herzogenrath, Wachtendonk, Geldern, Alpen (Nordrhein-Westfallen), Itterbeck, Schüttorf (Niedersachsen), zwei Taten in Plochingen (Baden-Württemberg), Zeitz (Sachsen-Anhalt), Elmshorn (Schleswig-Holstein), und Nittenau (Bayern).
Im Februar 2020 begannen die Ermittlungen der Osnabrücker Strafverfolgungsbehörden gegen eine Tätergruppierung aus Utrecht wegen des Verdachts der Vorbereitung einer Sprengstoffexplosion sowie Verabredung zum Verbrechen. Ein 29-jähriger Beschuldigter bestellte bei einer im Osnabrücker Raum ansässigen Firma unter dem Vorwand der künstlerischen Nutzung Geldautomaten in die Niederlande. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück sah aufgrund weiterer Unregelmäßigkeiten in dem Bestellvorgang einen strafbaren Bezug zum Phänomen der Sprengung von Geldautomaten. Die Ermittler sollten Recht behalten. Unmittelbar nach Auslieferung des Geldautomaten konnten erste Hinweise erlangt werden, die den Verdacht bestätigten. Der Geldautomat wurde von dem 29-jährigen Besteller und einem 24-jährigen Beschuldigten genutzt, um die Sprengung von Geldautomaten unter anderem im Bundesgebiet zu trainieren. Da sich der Schwerpunkt der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Osnabrück in den Niederlanden befand, bildeten beide Länder unter Beteiligung von Eurojust und Europol eine gemeinsame Ermittlungs-gruppe. Im Laufe der Ermittlungen konnten eine Vielzahl an Informationen über die Tätergruppierungen und Strukturen erhoben werden, die auch nach Abschluss dieser Ermittlungen wichtig für zukünftige Ermittlungsverfahren und die Kriminalprävention im diesem Deliktsfeld sind. So konnte ermittelt werden, dass die Tätergruppierungen ein Trainingszentrum in Utrecht eingerichtet hatten, in dem an verschiedenen Geldausgabegeräten Sprengungen getestet wurden. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse konnten dann bei Tatausführungen in Deutschland angewandt werden. Eine wesentliche Erkenntnis für die Ermittlungsbehörden war dabei, dass Geldausgabegeräte durch die Gruppierungen in Deutschland zu Testzwecken angekauft werden.
Darüber hinaus konnten wichtige Erkenntnisse über Aufbau und Zusammensetzung der Tätergruppierungen gewonnen werden. Neben personellen und hierarchischen Verbindungen konnte herausgearbeitet werden, dass diese Gruppierungen nicht nur im Deliktsfeld der Eigentumskriminalität aktiv waren. Bei den Tatausführungen kam häufig Festsprengstoff zum Einsatz. Zudem konnte nachgewiesen werden, dass die Gruppierungen verschlüsselte Smartphones zur Kommunikation nutzten. Darüber hinaus kamen oftmals hochmotorisierte Fahrzeuge zum Einsatz. Die festgestellten Indikatoren untermauern, dass es sich bei den Tätergruppierungen um solche aus der Organisierten Kriminalität handelt, deren Handeln einzig und allein auf die Steigerung illegalen Profits ausgelegt war. Die Ermittlungen dauern an.
414 Geldausgabeautomatensprengungen wurden im Jahre 2020 in Deutschland begangen – eine deutliche Zunahme um rund 19 % im Vergleich zum Vorjahr. Nach dem Lagebild des Bundeskriminalamts 2020 stammten etwa 2/3 sämtlicher Tatverdächtigen aus den Niederlanden. Wie das BKA in seiner Pressemitteilung vom 15. Juni 2021 weiter ausführte, hatten umfangreiche Sicherungsmaßnahmen der niederländischen Banken zu einem Verdrängungseffekt geführt. Die Täter verübten vermehrt im Nachbarland Deutschland Angriffe auf Bankautomaten.
Infobox:
Seit dem 01.01.2019 verfügt die Staatsanwaltschaft Osnabrück über eine Zentralstelle zur Bekämpfung bandenmäßiger und organisierter Wohnungseinbruchskriminalität und anderer besonderer Diebstahls- und Betrugsdelikte. Hierzu zählt auch das seit dem Jahre 2015 aufkommenden Phänomen der Sprengung von Geldausgabeautomaten.
Auch die Polizeidirektion Osnabrück setzte Anfang 2020 einen zusätzlichen Schwerpunkt bei ihrer Kriminalitätsbekämpfung und richtete eine weitere Ermittlungsgruppe bei der Zentralen Kriminalinspektion Osnabrück zur Bekämpfung von Geldautomatensprengungen ein. Dadurch konnten die Ermittlungen in enger Abstimmung mit der Zentralstelle der Staatsanwaltschaft Osnabrück und den regionalen Polizeiinspektionen konzentriert erfolgen – mit Erfolg.
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