Schusswaffengebrauch am 26.10.2020 in Alsdorf durch eine Polizeibeamtin -Klarstellung-
Die Staatsanwaltschaft Koblenz führt Ermittlungsverfahren wegen folgenden Sachverhalts:
Am Abend des 26.10.2020 nach 22.00 Uhr wurden vier Beamtinnen und Beamte der Polizeiinspektion Betzdorf zu einem eskalierten Familienstreit in Alsdorf gerufen. In dessen Verlauf soll ein 22 Jahre alter deutscher Staatsangehöriger zunächst gedroht haben, sich selbst mit einem Messer umzubringen. Kurz danach soll er mit demselben Messer seine Mutter mit dem Tod bedroht haben. Als der Beschuldigte die aufgrund von Notrufen von Familienangehörigen eingetroffene Polizei bemerkte, soll er in bedrohlicher Haltung mit dem Messer über die Innentreppe des Hauses in Richtung Haustür auf die Polizeibeamten zugelaufen sein. Daraufhin soll ein bereits im Hausflur befindlicher Polizeibeamter zunächst mit einem Taser auf den Beschuldigten geschossen haben. Da der 22-Jährige weiter in Richtung Haustür stürmte, zog sich der Polizeibeamte über die Außentreppe des Hauses zurück und schoss dabei ein zweites Mal mit seinem Taser auf den Beschuldigten. Zeitgleich damit soll eine vor der Haustür stehende Polizeibeamtin mit ihrer Dienstwaffe auf den in Richtung ihres Kollegen stürmenden 22jährigen geschossen und ihn im hinteren rechten Hüftbereich getroffen haben. Dieser wurde hierdurch schwer verletzt. Er wurde sofort von der Polizei und dem herbeigerufenen Rettungsdienst erstversorgt und anschließend in ein Krankenhaus gebracht, wo er notoperiert wurde.
Dieser Sachverhalt begründet einen Anfangsverdacht gegen den 22jährigen wegen Bedrohung von Familienangehörigen und den Verdacht eines versuchten Tötungsdelikts zum Nachteil des angegriffenen Polizeibeamten. Weiterhin besteht der Verdacht eines versuchten Tötungsdelikts durch die Schussabgabe durch die Polizeibeamtin und der (versuchten) gefährlichen Körperverletzung durch den Einsatz des Tasers. Die Erkenntnisse lassen es derzeit zwar als wahrscheinlich erscheinen, dass die eingesetzten Polizeibeamten in Notwehr bzw. Nothilfe gehandelt haben; dies wird abschließend jedoch erst nach Durchführung förmlicher Ermittlungen beurteilt werden können. Ebenso werden sich die zu führenden Ermittlungen nach dem derzeitigen Stand auch auf die Frage der Schuldfähigkeit des 22jähringen zu erstrecken haben.
Weitergehende Informationen zum Sachverhalt liegen der Staatsanwaltschaft bisher nicht vor. Ergänzende Angaben können daher auch auf Nachfrage nicht erteilt werden.
Rechtliche Hinweise:
Wegen Totschlags macht sich strafbar, wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein. Der Versuch ist strafbar.
Eine gefährliche Körperverletzung begeht u.a., wer einen anderen mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs verletzt.
Gemäß § 32 Strafgesetzbuch handelt derjenige nicht rechtswidrig, wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist. Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden. Wird der Angriff von einem anderen abgewendet, spricht man von Nothilfe.
Gemäß § 152 Abs. 2 der Strafprozessordnung ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet zu ermitteln, wenn ihr zureichende tatsächliche Hinweise auf verfolgbare Straftaten bekannt werden. Die Aufnahme von Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft bedeutet mithin weder, dass Beschuldigte eines Ermittlungsverfahrens sich tatsächlich strafbar gemacht haben noch, dass für ihre spätere Verurteilung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht.
gez. Harald Kruse
Leitender Oberstaatsanwalt