Sturmtief “Nadia” – Mann von Werbetafel erschlagen
Deutschland
In der Nacht fegt Sturmtief “Nadia” über Norddeutschland. In Hamburg gerät der Fischmarkt unter Wasser. Ein Frachter in der Nordsee kommt gegen die Wellen nicht an und treibt stundenlang umher. Die Bahn meldet teils erhebliche Behinderungen.
Verspätete Züge, umgestürzte Bäume, umherfliegende Gegenstände und eingestellte Fährverbindungen: Das Sturmtief “Nadia” hat in der Nacht zum Teil orkanartige Böen und eine Sturmflut nach Norddeutschland gebracht. Feuerwehren und die Polizei mussten Hunderte Male ausrücken. Im brandenburgischen Beelitz wurde ein Mann nach Polizeiangaben von einer umstürzenden Werbetafel erschlagen. Eine Verschnaufpause gibt es nicht: Der Sturm noch bis Sonntagvormittag andauern. Das Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) warnt bereits vor der nächste Sturmflut. Laut ntv-Meteorologe Björn Alexander wurden auf der Ostseeinsel Hiddenssee Windgeschwindigkeiten von bis zu 157 Kilometer pro Stunde gemessen.
Allein in Hamburg habe es bislang rund 300 Unwetter-Einsätze gegeben, sagte ein Polizeisprecher. Zuvor hatte eine schwere Sturmflut den Fischmarkt im Stadtteil St. Pauli unter Wasser gesetzt. Der Scheitel wurde nach BSH-Angaben gegen 0.17 Uhr erreicht. Der Wasserstand lag 2,84 Metern über dem mittleren Hochwasser, wie eine Sprecherin mitteilte. Hunderte Schaulustige zog es zum Fischmarkt. Durch die Überflutungen wurden mehrere Autos beschädigt.
In der Nacht zum Sonntag gab es nach Angaben des BSH auch an anderen Küstenabschnitten eine Sturmflut. In Bremerhaven habe der Scheitelwert beispielsweise bei 2,14 Metern über dem mittleren Hochwasser gelegen. An der Nordseeküste spricht man von einer Sturmflut, wenn das Hochwasser mindestens 1,5 Meter höher als normal aufläuft. Von einer schweren oder sehr schweren Sturmflut wird erst ab Werten von 2,5 beziehungsweise 3,5 Meter gesprochen.
Einsätze bei Windstärke 10 auf der Nordsee
In Hamburg und auf der Nordsee kam es außerdem zu zwei Vorfällen mit Schiffen: Im Hamburger Hafen fuhr sich ein Binnenschiff unter einer Brücke fest. Das Schiff sei beim Durchfahren mit dem Steuerhaus an der Freihafenelbbrücke hängengeblieben und habe sich verklemmt, sagte ein Polizeisprecher. Verletzte gab es ersten Erkenntnissen zufolge nicht. An Bord des Schiffes befanden sich demnach zwei Menschen. Die Unfallursache war zunächst unklar. Es sei möglich, dass sich der Kapitän wegen des steigenden Wasserstandes der Elbe verschätzt habe.
Der zweite Vorfall ereignete sich 16 Seemeilen (rund 30 Kilometer) vor der ostfriesischen Küste. Dort trieb ein unbeladener Frachter mehrere Stunden im Meer. Die 190 Meter lange “Vienna” hatte wegen des Sturms erkennbar Probleme zu manövrieren, wie ein Sprecher des Havariekommandos in Cuxhaven mitteilte. Die Maschine sei zu schwach gewesen, um das Schiff gegen Wind und Wellen zu halten. Daher wurden unter anderem Notschlepper zu dem Havaristen entsandt. Der Frachter sei nach etwa sechs Stunden gesichert worden. Die 24 Crewmitglieder blieben nach ersten Erkenntnissen unverletzt. Für den Einsatz wurden mehrere speziell ausgebildete Seeleute von einem Bundespolizei-Hubschrauber auf den Frachter abgeseilt. Bei Windstärke 10 seien die Wellen auf der Nordsee sechs bis sieben Meter hoch gewesen.
Zu weiteren Einsätzen kam es etwa auch in Schleswig-Holsteins. Allein im Norden des Landes mussten die Feuerwehren etwa 120 Mal ausrücken. Das sagte ein Sprecher der Regionalleitstelle, die unter anderem für Flensburg, Schleswig und Husum zuständig ist. Die Feuerwehr in Bremen war nach Angaben eines Sprechers in der Nacht mehr als 40 Mal im Einsatz. Im Kreis Aurich in Ostfriesland wurde die Feuerwehr rund 25 Mal zu Hilfe gerufen.
Der Sturm bescherte auch Feuerwehr und Polizei in Mecklenburg- Vorpommern viele Einsätze. In Schwerin und Umgebung sei man knapp 200 Mal ausgerückt, sagte ein Feuerwehrsprecher. Auch in Stralsund berichtete das Lagezentrum, dass man alle Hände voll zu tun habe. Die Berliner Feuerwehr meldete am Morgen rund 250 Unwetter-Einsätze im Stadtgebiet.
Bahnverkehr massiv eingeschränkt
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Wegen Sturmschäden kam es in Norddeutschland außerdem zu massiven Problemen im Bahnverkehr. Am frühen Samstagabend hatte die Deutsche Bahn den Fernverkehr in Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen für etwa 50 Minuten eingestellt. Betroffen waren insbesondere die ICE-Strecken zwischen Hamburg und Bremen sowie zwischen Hamburg und Berlin. Dort dauerten die Beeinträchtigungen an, wie ein Sprecher sagte. Im Regionalverkehr gibt es laut Bahn ebenfalls Zugausfälle und Verspätungen. Wann die Züge wieder wie geplant fahren, hänge vom weiteren Verlauf des Sturms ab, sagte der Bahnsprecher.
Wegen der Unwetterwarnungen wurden auch zahlreiche Fährverbindungen am Wochenende gestrichen: An der Nordsee fielen alle Verbindungen der Hallig-Linie am Wochenende aus, wie die Wyker Dampfschiffs-Reederei (W.D.R.) mitteilte. Auch Verbindungen ab Föhr, Amrum und Dagebüll waren betroffen. In Mecklenburg-Vorpommern wurde der Fährverkehr auf der Ostsee zwischen Rostock und Gedser auf der dänischen Insel Falster eingeschränkt. Nach Angaben der Reederei Scandlines fielen mehrere Verbindungen von Samstagnachmittag bis Sonntagmorgen aus. Der reguläre Fahrplan soll im Tagesverlauf wieder aufgenommen werden.
Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) wurden am Kieler Leuchtturm Windgeschwindigkeiten von bis zu 122,8 Kilometer pro Stunde, in Greifswald von bis zu 118,1 Stundenkilometern gemessen worden, sagte eine DWD-Sprecherin. Die Warnlage im Norden soll noch bis Sonntagvormittag andauern. Es seien auch weiterhin einzelne Orkanböen möglich.
Nach BSH-Angaben droht den norddeutschen Ländern zudem bereits die nächste Sturmflut: Am Sonntag werden das Vormittag- beziehungsweise Nachmittag-Hochwasser an der deutschen Nordseeküste 1,5 bis 2 Meter und im Weser- und Elbgebiet 2 bis 2,5 Meter höher als das mittlere Hochwasser eintreten. Für die Ostseeküste sei bis Sonntagmorgen noch die Niedrigwasserwarnung in Kraft. Die Experten erwarten aber, dass die Wasserstände im Verlauf des Tages bis zu 130 Zentimeter über den mittleren Wasserstand steigen.
NTV – WELT – Screenshot