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Tierquälerei in NRW-Schweinemast-Betrieben

Deutschland - Tierschutzbüro - Schlachterei

Salzkotten/Beckum (NRW) – Sie leben neben toten Artgenossen, haben schmerzhaft entzündete Augen, dicke Geschwulste an den Bäuchen. Tierschützer des „Deutschen Tierschutzbüros“ haben erschreckende Haltungsbedingungen in sieben Schweinemast-Betrieben aufgedeckt und dokumentiert. Sechs davon liegen in Nordrhein-Westfalen, einer in Niedersachsen.

„In allen sieben Betrieben wurden massive Verstöße gegen Tierschutzgesetze dokumentiert. Aus diesem Grund haben wir gegen jeden von ihnen Strafanzeige erstattet“, so Jan Peifer, Vorstandsvorsitzender vom Deutschen Tierschutzbüro.

Die Mast-Betriebe (u.a. aus den Kreisen Höxter, Paderborn, Steinfurt, Borken, Lippe und Warendorf) liefern allesamt Schweine an Westfleisch. Mit etwa acht Millionen getöteten Tieren pro Jahr und einem Umsatz von 2,56 Milliarden Euro ist es einer der größten Schweineschlachter Deutschlands. Das Unternehmen aus Münster hat neun Standorte und über 5500 Mitarbeitende.

Laut Deutschem Tierschutzbüro recherchierten die Tierschützer mit versteckten Kameras über mehrere Monate in den sieben zufällig ausgewählten Westfleisch-Betrieben. „Die dokumentierten Zustände sind in ausnahmslos allen Betrieben gravierend“, so Peifer.

Auf den Internetseiten stellen sich die Höfe teils als Familienbetriebe mit langer Tradition dar. Hof-Angehörige haben süße Ferkel im Arm, auf einer anderen Homepage sieht man idyllisch wirkende Stallungen.

Doch die Foto- und Videoaufnahmen der Tierschützer zeigen aus jedem Betrieb verletzte oder kranke Schweine, die offensichtlich nicht tierärztlich behandelt worden seien. Die Tiere hätten offene, blutende Wunden, Nabelbrüche, Abszesse und schmerzhafte Augen- und Beinentzündungen.

Einige Schweine hätten nicht mehr laufen können, andere seien sogar gestorben und zwischen den Artgenossen liegen gelassen worden. Teilweise verwesten die Kadaver bereits, zeigen Fotos. „Der Tod scheint hier allgegenwärtig zu sein, wie ein Blick in die gefüllte Kadavertonne zeigt“, sagt Peifer zu der Situation in einem Betrieb in Salzkotten (Kreis Paderborn).

Auf diesem Hof haben die Tierschützer bei einer Nacht-Recherche laut Peifer auch dokumentiert, dass Muttertiere in Kastenständen fixiert waren, wo sie keinen Zugang zu Trinkwasser hatten.

Staatsanwaltschaften ermitteln

Sprecher der Staatsanwaltschaften in Detmold und Münster bestätigten Ermittlungen zu den Fällen. Anfang Juli sei Videomaterial bei der Behörde in Detmold eingegangen, das Tiere mit „nicht sachgerecht behandelten Verletzungen“ zeige. „Nach Sichtung des Videomaterials ergab sich ein Anfangsverdacht wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz.“

Die Staatsanwaltschaft Münster ermittelt wegen möglicher Verstöße gegen das Tierschutzgesetz gegen drei Schweinemastbetriebe. Ausgangspunkt seien Anzeigen des Deutschen Tierschutzbüros, so Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt. Den Anzeigen seien USB-Sticks mit Fotos beigefügt, die derzeit geprüft würden.

Alle Betriebe sind laut der Tierschützer in den vergangenen Jahren von der EU unter anderem für Verbesserungen im Bereich Umwelt und Tierschutz subventioniert worden. Einer der Betriebe ist zudem Teil der „Initiative Tierwohl“.

Die Unternehmensgruppe Westfleisch äußerte sich zu den Recherchen der Tierschützer – man sei schockiert über die Bilder von kranken und verletzten Schweinen. „Die Aufnahmen machen auch uns betroffen“, betonte Westfleisch auf dpa-Anfrage.

Man nehme die Vorwürfe gegen die einzelnen Tierhalter sehr ernst und gehen ihnen „mit aller Entschiedenheit“ nach. „Bis zur endgültigen Klärung aller Vorwürfe behalten wir uns sanktionierende Maßnahmen bis hin zur Kündigung der Lieferverträge vor“, so das Unternehmen. Es würde jetzt jeder der betroffenen Betriebe genau kontrolliert.

Kontrollen auch vom Landwirtschaftsministerium

Aus dem NRW-Landwirtschaftsministerium hieß es, bereits im Frühsommer seien bei den betroffenen Kreisen anonyme Hinweise auf tierschutzrechtliche Verstöße eingegangen. Daraufhin habe es unangekündigte Kontrollen gegeben. „Dabei haben sich die angezeigten Verstöße in vier von sechs Fällen bestätigt“, teilte ein Sprecher zu den Vorwürfen gegen die NRW-Mastbetriebe mit.

Es handele sich überwiegend um Verstöße beim Umgang mit kranken oder verletzten Tieren – etwa nicht erfolgte tierärztliche Behandlungen oder Nottötungen oder auch eine unterbliebene Separierung dieser Tiere.

Die zuständigen Behörden sorgten laut Ministerium dafür, dass die tierschutzwidrigen Zustände unverzüglich beseitigt wurden. Es seien auch Bußgeldverfahren eingeleitet worden. Zudem liegen dem Ministerium nun auch die Videoaufnahmen der Tierschützer vor, die die mutmaßlichen Verstöße in Betrieben dokumentieren sollen. Das Material werde ausgewertet und analysiert, um die amtliche Aufklärung zu beschleunigen.

DPA – BILD – Deutsches Tierschutzbüro

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