Fast sieben Wochen nach ihrem ersten gemeinsamen Besuch haben sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsidentin Malu Dreyer einen eigenen Eindruck vom Fortschritt der Aufräum- und Aufbauarbeiten gemacht. Unmittelbar nach der Flut hat das Land Soforthilfen in dreistelliger Millionenhöhe ausgezahlt und die Bundesregierung hat zusammen mit der Ländergemeinschaft einen Aufbaufonds von 30 Milliarden Euro auf den Weg gebracht.
Auf ihrem Rundgang durch die schwer betroffene Gemeinde Altenburg, die zu 95 Prozent überflutet wurde, machte Ministerpräsidentin Malu Dreyer deutlich, dass der Wiederaufbau lange Zeit und viel Kraft in Anspruch nehmen werde und sagte die Unterstützung des Landes beim Wiederaufbau zu. Das Dorf ist seit dem 15. Juli weitgehend unbewohnt. Strom und Wasserversorgung funktionieren wieder und tagsüber kommen viele Anwohner zurück, um nach ihren Häusern und Wohnungen zu sehen. Bei ihrem Rundgang erfuhren Kanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsidentin Malu Dreyer mehr vom Schicksal der Betroffenen, aber auch vom unbedingten Willen, die Heimat neu aufzubauen.
„Wir werden Sie nicht vergessen. Was man an Engagement und Zuversicht trotz allem Schmerz sieht, ist einfach beeindruckend. Wir haben die Pflicht zu helfen, wo wir helfen können. Und die Fragen, die sich die Menschen vor Ort stellen, die können wir nur gemeinsam mit dem Land und den Kommunen beantworten“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel.
„Es ist wichtig, die Soforthilfen schnell auszuzahlen und den Aufbaufonds schnell zu beschließen. Die Menschen haben damit eine Perspektive, um ihr Heim und die Heimat wiederaufzubauen“, betone Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Die akute Gefahrenlage bestehe nicht mehr. Viele Straßen seien wieder passierbar, Brücken behelfsmäßig errichtet. Das Leid und die Zerstörung haben tiefe Wunden gerissen. Aber in Schmerz und Verlust mische sich nun der starke Wille, nach vorne zu blicken und den Aufbau entschlossen und mit ganzer Kraft gemeinsam anzugehen. In den ersten Wochen seien täglich mehr als 5000 Einsatzkräfte im Einsatz gewesen. Die freiwilligen Helfer und Helferinnen sind da noch gar nicht eingerechnet. Wir überführen jetzt Schritt für Schritt die Hilfe der Blaulichtfamilie in dauerhafte Strukturen, um die vielen Maßnahmen vor Ort zu realisieren“, so Ministerpräsidentin Malu Dreyer weiter. Was Bevölkerung, Hilfskräfte und Ehrenamtliche in den vergangenen Wochen bereits erreicht hätten, sei immens. Häuser würden ausgeräumt und Sperrmüll, Schlamm und Schutt, den das Wasser angespült hat, wurden beseitigt. Das seien Abfallmengen, die ansonsten in 30 Jahren anfallen. In den Verwaltungen wird rund um die Uhr gearbeitet. Die Verbandsbürgermeisterin von Altenahr, Cornelia Weigand, und der Ortsbürgermeister von Altenburg, Rüdiger Fuhrmann, seien für diesen enormen Einsatz.
„Wir müssen Leben an Flüssen neu denken“, sagte Cornelia Weigand, die Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Altenahr. „Der Wiederaufbau an der Ahr kann das Modell für die vielen Mittelgebirgsflüsse in Europa werden. Dazu bedarf es konkreter Wohn- und Lebensstrategien, für die das Fachwissen nationaler und internationaler Experten verschiedener Fachrichtungen benötigt wird. Wir hier brauchen schnell und kompetent einen ‚Masterplan Zukunft Ahr‘, eine Richtschur, was risikoarm und vertretbar ist. Wir brauchen Aussagen, welche Schutzbauwerke Bund und Länder errichten wollen, wo wiederaufgebaut werden kann und darf, und wie eine neue Bebauung aussehen muss, die resilient, die widerstandsfähig ist gegen Flut.“ Sie unterstrich den Zeitdruck, unter dem die Menschen und die Kommunen an der Ahr stünden.
Gemeinsam mit Innenminister Roger Lewentz, Klimaschutzministerin Anne Spiegel und Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt und der Aufbaubeauftragten Nicole Steingaß informierten sich die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidentin im Austausch mit betroffenen Menschen bei einem Besuch im Seniorenzentrum Maternus-Stift, in der benachbarten Grundschule und Realschule Plus sowie in einem zerstörten Wohngebiet am Ufer der Ahr. Auch der erste Beigeordnete des Landkreises, Horst Gies, begleitete den Rundgang.
„Ich wünsche mir, dass die Menschen in der Region bleiben und weiterleben können, dort, wo sie vor der Flut gelebt haben, wenn sie das wollen, und dass unsere Orte wieder so lebendig werden wie in der Zeit, bevor diese Katastrophe uns heimgesucht hat“, sagte Rüdiger Fuhrmann, Ortsbürgermeister der Ortsgemeinde Altenahr.
Das Überschwemmungsgebiet müsse nach der Katastrophe neu berechnet werden. Die Landesregierung berate sich dazu sehr eng mit Experten. Es werde Gebiete geben, wo die Gefahren so groß sind, dass auch in Zukunft kein Wiederaufbau an gleicher Stelle erfolgen sollte. Hier werde man gemeinsam mit den Kommunen nach Ersatzflächen suchen. Damit seien viele Fragen verbunden, denn Eigentum habe in Deutschland einen hohen gesetzlichen Schutz. Daher müssten neben hydrologischen Fragen auch viele juristische Fragen geklärt werden, so Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Ab Oktober solle es für die Betroffenen möglich sein, Förderanträge für den Wiederaufbau zu stellen. Dann solle es auch Beratungen für die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger geben, so Ministerpräsidentin Malu Dreyer. „Wir haben ein gemeinsames Ziel: Ein Ahrtal mit Zukunft aufzubauen. Das geht nur gemeinsam, denn die Kommunen erlassen das Baurecht und ohne das Mitwirken der Menschen vor Ort geht gar nichts.“ In einer ersten Zukunftskonferenz in der kommenden Woche wollten Land, Landkreis und Kommunen daher auch ganz bewusst in die Zukunft schauen.
„Wir wollen den Menschen ihre Heimat zurückgeben. Eine Heimat, die zur Modellregion für Klimaschutz, innovativen Hochwasser- und Starkregenschutz, Klimafolgenanpassung, Digitalisierung sowie zügigen und modernen Infrastrukturausbau werden kann. Das ist eine echte Perspektive für die Region“, so Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Umweltministerin Anne Spiegel und Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt.
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