EPG Baskets Koblenz darf weiter trainieren
Die Anordnung der Stadt Koblenz gegenüber dem Verein Lützel Baskets 1956 e. V. (auch genannt EPG Baskets Koblenz), den Trainings- und Wettkampfbetrieb einzustellen und die Nutzung der Sportstätten der Stadt Koblenz zu diesem Zweck zu unterlassen, ist rechtswidrig.
Dies entschied das Verwaltungsgericht Koblenz in einem Eilverfahren und gab einem entsprechenden Antrag des Basketballvereins statt.
Nach den Bestimmungen der Zwölften Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz dürften Sportanlagen zu Trainingszwecken des Spitzen- und Profisports weiterhin genutzt werden. Entgegen der Auffassung der Stadt Koblenz sei auch die Mannschaft der EPG Baskets Koblenz dem Profisport zuzuordnen, da sie in der sogenannten „BARMER 2. Basketball-Bundesliga“ spiele, so das Gericht. Darüber hinaus sei für die Abgrenzung zwischen Profi- bzw. Spitzensport auf der einen Seite und Amateur- bzw. Freizeitsport andererseits von wesentlicher Bedeutung, ob die Athleten mit ihren sportbedingten Einnahmen ihren Lebensunterhalt bestreiten könnten. Dies sei bei Spielern der Mannschaft der Fall, so die Koblenzer Richter.
Gegen diese Entscheidung steht den Beteiligten die Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu.
VERWALTUNGSGERICHT KOBLENZ
BESCHLUSS
In dem Verwaltungsrechtsstreit
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w e g e n Gesundheitsrechts
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der Beratung vom 23. November 2020, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Gietzen Richter am Verwaltungsgericht Pluhm
Richterin Dwars
beschlossen:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 20. November 2020 gegen die von der Antragsgegnerin am 19. November 2020 verfügte Einstellung des Trainings- und Wettkampfbetriebs der A*** und Untersagung der Nutzung der Sportstätten der Antragsgegnerin durch die A*** wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
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Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
Der Antrag des Antragstellers, nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 Verwaltungsgerichts- ordnung (VwGO) die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 20. Novem- ber 2020 gegen die von der Antragsgegnerin am 19. November 2020 verfügte Ein- stellung des Trainings- und Wettkampfbetriebs der A*** und Untersagung der Nut- zung der Sportstätten der Antragsgegnerin durch die A*** anzuordnen, hat Erfolg.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist statthaft. Bei der Einstellung des Trainings- und Wettkampfbetriebs sowie der Nutzungsuntersagung der Sport- stätten der Antragsgegnerin in ihrer E-Mail vom 19. November 2020 handelt es sich um (feststellende) Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Satz 1 Verwaltungsverfah- rensgesetz (VwVfG). Zudem hat der Widerspruch des Antragstellers gegen diese Anordnungen, deren Rechtmäßigkeit an den hier allein in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen der § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 8 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzge- setz – IfSG) zu messen ist, keine aufschiebende Wirkung, vgl. § 28 Abs. 3 IfSG i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin fehlt es bei ihren Erklärungen in der E-Mail vom 19. November 2020 nicht an der nach § 35 Satz 1 VwVfG erforderlichen Regelungswirkung. Maßgeblich ist, dass der Antragsteller unter Berücksichtigung aller ihm bekannten oder erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben bei ob- jektiver Auslegung die Erklärungen der Antragsgegnerin als verbindliche Regelun- gen auffassen konnte oder musste. So liegen die Dinge hier. Charakteristisch für feststellende Verwaltungsakte ist, dass durch sie rechtserhebliche Eigenschaften in Bezug auf einen Einzelfall verbindlich festgestellt oder abgelehnt werden, sodass sich der Verfügungssatz gerade darauf beschränkt, das Ergebnis eines behördli- chen Subsumtionsvorgangs festzuschreiben, ohne selbst hieran Rechtsfolgen etwa in Form von (vollstreckungsfähigen) Ge- oder Verboten, Genehmigungen oder Leis- tungsgewährungen zu knüpfen (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwal- tungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 35 Rn. 219). Die Regelung im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG ist hier darin zu sehen, dass in der zwischen den Beteiligten
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rechtlich ungewissen Situation bezüglich der Frage, ob die Mannschaft A*** des Antragstellers dem Profisport im Sinne der Ausnahmevorschriften des § 10 Absätze 3 und 5 12. CoBeLVO zuzuordnen ist, die Sach- und Rechtslage im vorliegenden Einzelfall durch die von der Antragsgegnerin dies verneinende, verbindliche Fest- stellung geklärt wurde. Vor diesem Hintergrund fehlt dem Antragsteller auch nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Dem steht auch nicht entgegen, dass sich der Antragsteller nicht gegen den in der E-Mail der Antragsgegnerin vom 19. No- vember 2020 verfügten Widerruf der ursprünglich erteilten Ausnahmegenehmigung zu der inzwischen bereits aufgehobenen Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 27. Oktober 2020 wendet. Denn die hier streitgegenständlichen Anordnungen stützt die Antragsgegnerin nicht auf den Widerruf der Ausnahmegenehmigung, son- dern ausweislich ihrer Begründung darauf, dass die Voraussetzungen der ohne die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung unmittelbar geltenden Ausnahmevorschrift für den Profisport in § 10 Absätze 3 und 5 12. CoBeLVO nicht vorlägen.
Darüber hinaus ist der Antrag auch begründet.
Bei der Entscheidung über einen einstweiligen Rechtsschutzantrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat das Gericht eine Abwägung zwischen dem privaten Inte- resse an der aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs einerseits und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits vorzunehmen. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Während bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit des Rechtsbehelfs ein schutzwürdiges Aussetzungsinteresse grundsätzlich nicht gegeben ist, besteht umgekehrt kein öffentliches Interesse am Vollzug einer offensichtlich rechtswidrigen Verfügung. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, so hängt das Er- gebnis der Abwägung vom Gewicht der betroffenen gegenseitigen Interessen und der jeweiligen Folgen der Entscheidung ab.
Gemessen daran fällt die Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers aus, weil die angegriffenen Regelungen sich bei der im Eilverfahren gebotenen summa- rischen Prüfung nach derzeitiger Sach- und Rechtslage als ermessensfehlerhaft und daher offensichtlich rechtswidrig erweisen. Denn die Antragsgegnerin ist bei der ihren Verfügungen einzig zugrunde liegenden Annahme, der Sportbetrieb der
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A*** des Antragstellers sei nicht dem Profisport im Sinne des § 10 Absätze 3 und 5 12. CoBeLVO zuzuordnen, von einer unzutreffenden Sachlage ausgegangen.
Vielmehr spricht aus Sicht der Kammer alles dafür, dass der Sportbetrieb der A*** des Antragstellers als Profisport im Sinne dieser Bestimmungen einzustufen ist, so- dass die 12. CoBeLVO dem Training, dem Wettkampf wie auch dem Betrieb öffent- licher und privater Sportanlagen zu Trainingszwecken dieser Mannschaft bei Be- achtung der in § 10 Absätze 3 und 5 12. CoBeLVO genannten Hygieneregelungen nicht entgegensteht.
Unter welchen Voraussetzungen Profisport (wie auch Spitzensport) anzunehmen ist, regelt § 10 Abs. 5 Satz 2 12. CoBeLVO für die Zulässigkeit des Betriebes öffent- licher und privater Sportanlagen zu Trainingszwecken des Spitzen- und Profisports. Nach Ziffer 2 dieser Regelung betreiben Spitzen- und Profisport Profimannschaften der 1. und 2. Bundesligen aller Sportarten. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, dass diese Definition nicht auch für die Frage der Zulässigkeit von Training und Wettkampf im Profisport nach § 10 Abs. 3 12. CoBeLVO heranzuziehen wäre. Die Kammer geht daher von einer einheitlichen Definition des Spitzen- und Profisports im Rahmen des § 10 12. CoBeLVO aus. Die Mannschaft der A*** unterfällt dem Profisport, da sie in der sogenannten „BARMER 2. Basketball-Bundesliga“ spielt. Dass die A*** innerhalb der von der 2. Basketball-Bundesliga GmbH betriebenen „BARMER 2. Basketball-Bundesliga“ der Spielklasse ProB angehört, steht dieser Einordnung nicht entgegen. Der Basketballverband hat im Rahmen seiner von Art. 9 Grundgesetz (GG) geschützten Vereinsautonomie in den Jahren 2007 und 2008 innerhalb der 2. Basketball-Bundesliga eine Unterteilung des Leistungsniveaus zwi- schen der Spielklasse ProA und der Spielklasse ProB vorgenommen, um die Ver- eine zu professionalisieren, das Spielniveau zu erhöhen und den Aufstieg in die Basketball-Bundesliga zu erleichtern. Diese Unterteilung ändert aber nichts daran, dass sowohl die Spielklasse ProA als auch die Spielklasse ProB denselben Regu- larien – die Spiel- und Veranstaltungsordnung 2. Basketball-Bundesliga GmbH – unterworfen sind. Dass die Antragsgegnerin die Spielklasse ProB einer 3. Liga gleichsetzt, ist nicht plausibel.
Dies gilt umso mehr, als der Begriff des Profisportes im Sinne des § 10
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12. CoBeLVO im Lichte des § 12 Abs. 1 GG zu verstehen ist, weshalb für die Ab- grenzung zwischen Profi- bzw. Spitzensport auf der einen Seite und Amateur- bzw. Freizeitsport andererseits von wesentlicher Bedeutung ist, ob die Athleten mit ihren sportbedingten Einnahmen ihren Lebensunterhalt bestreiten können sowie der Um- fang des zeitlichen Engagements. Ausgehend davon, dass das Existenzminimum in der Bundesrepublik für das Jahr 2020 für eine alleinstehende Person mit 9.408 € angesetzt wird, spricht für die Annahme einer Profimannschaft, dass die sechs Stammspieler der A*** mit der vom Antragsteller gezahlten Vergütung zwischen mo- natlich *** und *** € netto sowie [***] ihren Lebensunterhalt bestreiten. Der Antrag- steller hat auch nachvollziehbar dargelegt, dass diesen Spielern neben den tägli- chen Trainingseinheiten keine darüberhinausgehenden zeitlichen Kapazitäten zur Verfügung stehen, um einer weiteren (Haupt-)Beschäftigung zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes nachzugehen. Auch der Umstand, dass sich die Stammspieler mit dem Spielervertrag dazu verpflichten, die Weisungen des Antragstellers sowie des Trainers zu befolgen, und unter anderem bei verspäteter Wahrnehmung ihrer spielerischen Verpflichtungen eine Vertragsstrafe schulden, spricht für eine berufs- mäßige Wahrnehmung der sportlichen Betätigung und damit für die Annahme einer Profisportmannschaft. Eine weitere Beschäftigung ist ihnen nach § 3 Satz 2 Nr. 9 des vorgelegten Spielervertrages nicht gestattet.
Da sich die angegriffenen Verfügungen der Antragstellerin nach alledem bereits auf- grund ihrer fehlerhaften Einschätzung, dass die A*** nicht dem Profisport im Sinne des § 10 Absätze 3 und 5 12. CoBeLVO angehörten, als rechtswidrig erweisen, kommt es darauf, ob darüber hinaus die strengen Hygieneschutzvorschriften dieser Regelungen eingehalten werden, im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungs- erheblich an. Die Kammer weist jedoch darauf hin, dass keine Anhaltspunkte er- sichtlich sind und von der Antragsgegnerin auch nicht vorgetragen wurde, dass das vom Antragsteller vorgelegte Hygienekonzept diesen Vorschriften nicht entspricht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 Gerichts- kostengesetz. Von einer Halbierung des Auffangwertes im Eilverfahren (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013) wurde abgesehen, da der Antragsteller mit seinem Antrag eine Vorwegnahme der Hauptsache begehrt.
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Rechtsmittelbelehrung
Gegen diese Entscheidung in der Sache steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu.
Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Koblenz, Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz, schriftlich, nach Maßgabe des § 55a VwGO als elektronisches Do- kument oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. Die Beschwer- defrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder nach Maßgabe des § 55a VwGO als elektronisches Dokument bei dem Oberver- waltungsgericht Rheinland-Pfalz, Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz, eingeht.
Die Beschwerde muss durch einen Rechtsanwalt oder eine sonstige nach Maßgabe des § 67 VwGO vertretungsbefugte Person oder Organisation als Prozessbevoll- mächtigten eingelegt werden.
In Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen ist die Beschwerde nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 € nicht übersteigt.
Gegen die Festsetzung des Streitwertes steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 € über- steigt.
Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten, nach- dem die Entscheidung zur Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
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Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Koblenz, Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz, schriftlich, nach Maßgabe des § 55a VwGO als elektronisches Do- kument oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen.
gez. Gietzen gez. Pluhm gez. Dwars